Die renommierte Unternehmungsberatung Gartner sieht, in ihrem zuletzt veröffentlichten „Hype Cycle“, 5G auf dem Zenit übersteigerter Erwartungen. Der Fokus der Mobilfunkbetreiber liegt in erster Linie auf dem Massenmarkt und in zweiter Linie als Ersatz zu ADSL in ländlichen Gebieten. Das Verkaufsargument ist Gbit/s.
Mobilität ist ein zentrales Thema der 5G Technologie. Insbesondere der öffentliche Verkehr im städtischen Bereich sowie zwischen den Stadt-Zentren bietet vielfältige Anwendungsoptionen und Chancen. Deswegen wurden auch 100 Mbit/s entlang von Schienen und Autobahnen bei der Frequenzvergabe in Deutschland gefordert.
NetModule ist mit seinen beiden Produktlinien NB2800 und NB3800 in diesen Segmenten vertreten. Der Mehrwert von 5G liegt hier in der Zuverlässigkeit und dem deterministischen Verhalten, welches Echtzeit- und sicherheitsrelevante Anwendungen ermöglicht.
Die Kommunikationsarchitekturen von PKW´s, Bussen und auch Zügen folgen denselben Prinzipien: Trennung von sicherheitsrelevanter Kommunikation und Infotainment sowie der Übergang von Feldbus zu Ethernet. Bei Zügen werden darüber hinaus die Geräte doppelt ausgeführt und redundant betrieben. Aber auch dort geht der Trend eindeutig zu 5G. Nach fast 30 Jahren, am Ende dieser Dekade, wird GSM-R mit dem 5G basierten FRMCS abgelöst werden.
Schon Regionalzüge haben bis zu 9 parallele Mobilfunksysteme mit jeweils eigener Antennenanlage auf dem Dach. Mit 5G zieht nun die MIMO-Antennen-Technologie ein, d.h. 9 mal 4 Antennen und Kabel. Offensichtlich besteht hier ein Optimierungsbedarf, besonders da 5G über das Slicing die Möglichkeit bietet, Anwendungen strikt voneinander zu trennen und unabhängige Leistungsmerkmale zu setzen. Sicherheitsrelevante Funktionen werden durch kurze Latenzen und garantierte Leistungsmerkmale realisiert, parallel hierzu kann Unterhaltung bzw. Infotainment kostengünstig betrieben werden, da nun nur ein System anstelle von zweien notwendig ist. Das ist, in einfachen Worten, das Prinzip hinter dem „Slicing“. Aufgrund dessen, dass an beiden Enden des Zuges selten die gleichen Bedingungen herrschen, ist es möglich, durch die Kombination der beiden o.g. Informationsströme eine bessere Leistung zu erzielen.
Die Anwendungsfälle für 5G in öffentlichen Verkehrsmitteln sind:
- Fahrgastinformationen
- Passagier-WLAN
- Telematik
- Videoüberwachung und Barrierefreiheit
- Präventive Wartung/Instandhaltung
- Lade- und Batteriemanagement für Hybrid- und Elektroantrieb
- Hochpräzise Karten mit aktualisierter Zusatzinformation
- Unterstützung des autonomen Fahrens
- Ferngesteuertes Fahren und Concierge Service
LTE oder 5G?
Die meisten dieser Anwendungen können auch mit LTE umgesetzt werden (und werden es aktuell auch), allerdings mit Einschränkungen. Insbesondere beim autonomen Fahren wird deutlich, dass die Anwendung abhängig von der Geschwindigkeit der Echtzeitkommunikation ist. D.h. dass die Daten-Geschwindigkeit notwendig ist, um die Funktionalität gewährleisten zu können.
Unterschiede 5G (NR) versus 4G (LTE)
Die Unterschiede in der Spektraleffizienz zwischen 5G und LTE sind eher gering und für die wissenschaftliche Community von Interesse. Das New Radio ermöglicht jedoch deterministisches Verhalten bei hoher Zuverlässigkeit und kurzer Latenz (uRLLC) und genau das macht den Unterschied:
Beide Standards gibt es sowohl im Frequenz-Duplex- als auch im Zeit-Duplexverfahren. D.h., dass für das Sprechen und Hören entweder verschiedene Frequenzen oder nacheinander verschiedene Zeitschlitze benutzt werden. Gleichzeitiges Sprechen und Hören erzeugt Störungen und macht das Dekodieren schwieriger, aber es ist bei 5G möglich.
Einer der wesentlichen Unterschiede ist, dass 5G für MIMO entwickelt wurde, während MIMO bei LTE eine Option ist. Hier kommt die Kanalreziprozität voll zur Geltung. Beim Senden und Empfangen auf der gleichen Frequenz vereinfacht sich die Bestimmung der Kanalparameter wesentlich. Die Basisstation kann 64 Empfangs- und Sendeantennen auf einen Sektor vereinen, im Millimeterwellenbereich noch mehr. Mathematisch kann man das Ganze als Beamforming betrachten.
Man sollte MIMO keinesfalls mit Empfangs-Diversität verwechseln. Bei einem Verfahren (Diversität) schaltet man zwischen den Antennen und wählt das beste Signal aus, beim anderen (MIMO) sendet und empfängt man auf allen Antennen ein jeweils verschieden kodiertes Signal. Ein phasenkodiertes Signal führt dann zu einer Änderung des Antennendiagrams.
Offensichtlich sind die Antennen an der Basisstation grösser und der Verstärker leistungsfähiger als am Endgerät. Den 64 Antennen im städtischen bzw. 8 im ländlichen Gebiet, steht eine, 2 oder 4 Antennen gegenüber, die auch nicht alle senden, aber zu mindestens empfangen können.
MIMO funktioniert anders als Sende- und Empfangsdiversität. An der Basisstation wie auch am Endgerät gibt es mehrere Antennen für die Übertragung und den Empfang. Im Gegensatz zu LTE, wo MIMO nur eine Option ist, wurde 5G entwickelt, um das Beste aus der Übertragung herauszuholen. Der Preis, der gezahlt werden muss, ist eine grosse Anzahl von Antennen an der Basisstation und am Gerät. Je höher jedoch die Frequenz, desto kleiner sind die Antennen.
Die Tabelle zeigt die theoretisch maximale Datenrate, wenn 100 MHz vollständig zur Verfügung stehen würden. In der Realität stehen bei 3.5GHz jedoch davon nur 70% für den Downlink und 20% für den Uplink zur Verfügung.
Nachdem es sich um theoretische Werte nach dem Standard TS38.306 handelt, sollten diese Werte natürlich unter realistischen Bedingungen getestet werden.
Zuverlässige Echtzeitkommunikation (uRLLC)
Für kommerziellen Anwendungen ist das Alleinstellungsmerkmal von 5G die zuverlässige Echtzeitkommunikation. Natürlich ist die Funkverbindung nicht ganz in Echtzeit, aber es wird deterministisches Verhalten erzielt, während LTE sich für die Endkunden immer noch wie ADSL anfühlt. Natürlich funktioniert auch LTE gut, wenn man dort Sprache mit 12.2 kbps über eine Cat.6 Verbindung betreibt.
Es geht aber nicht nur um die Luftschnittstelle, denn in der Kommunikationskette ist das Gesamtergebnis nur so gut wie sein schwächstes Glied. Während die 5G Luftschnittstelle als „New Radio“ bezeichnet wird, entsteht sozusagen im Schatten eine ganz neue Architektur des Kernnetzes, das Next Generation Core Network. Dieses ist nicht mehr hierarchisch aufgebaut, sondern Anwendungen werden an einen Bus parallel aufgehängt. Damit kann man einfach neue Services hinzufügen, ohne das vorherige Kartenhaus einstürzen zu lassen. Slicing ist dann die Fähigkeit, diese Anwendungen isoliert von dem Endgerät, über die Luftschnittstelle, das Übertragungsnetz zum Kernnetz, zu führen. Im Vergleich dazu hat sich das LTE Kernnetz (EPC), welches auf IMS basiert, als zu komplex herausgestellt, um einfach neue Services auszuprobieren.
Noch scheuen Mobilfunkbetreiber die Investitionen in das neue Kernnetz. Die sogenannte “non-standalone architecture” ist ein Zwitter, bei dem die Datenströme in der Mitte aus der 5G Basisstation herausgeführt werden und dann in die bestehende LTE-Basisstation und das Kernnetz weitergeleitet werden. Selbstredend ist, dass neue Anwendungen sowie Echtzeitkommunikation so nicht möglich sind.
Funkabdeckung ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung
Früher wurden erst Straßen gebaut und dann füllte man sie mit Autos wie von Geisterhand. Aber würde das auch für 5G funktionieren? Ist es ausreichend, eine allgegenwärtige Abdeckung vorzuschlagen, dass die Menschen von LTE auf 5G umsteigen? Es ist unbestritten, dass die Netzbetreiber zunächst die 5G-Abdeckung anbieten müssen, bevor ein Ökosystem errichtet wird. Hier gibt es kein Henne-Ei-Dilemma. Der Preis für hohe Datenraten ist mehr Bandbreite in den höheren Frequenzbändern und konsequenterweise erhält man damit kleinere Zellen. Bei öffentlichen Verkehrsmitteln bedeutet dies explizite Abdeckung entlang von Straßen und Bahnen.
Hohe Datenraten, wie sie bei 5G erwartet werden, gehen nicht ohne eine gewisse Signalstärke einher. Um bei 256 QAM 8 Bit gegenüber 6 Bit bei 64 QAM pro Symbol zu übertragen braucht man einfach mehr Leistung und das ganz besonders am Zellenrand.
Während GSM noch leicht über dem Spektrum des Fernsehens lag, stösst 5G in den Bereich der Millimeterwellen vor, denn dort gibt es noch freies Spektrum für relativ breite Kanäle. Der Preis, der dafür zu zahlen ist, ist hoch. Waren Zellen in den ländlichen Gegenden noch in der Grössenordnung von 10 km, muss man sich bei 3.5 GHz mit hunderten von Metern begnügen. Für den Musiker und Physiker ist es nachvollziehbar: bei jeder Oktave verliert man die Hälfte der Reichweite. Der Mobilfunkbetreiber muss dementsprechend mehr in Infrastruktur investieren. Verführend ist dann der Etikettenschwindel 5G in Frequenzbändern anzubieten, wo die propagierten Datenraten einfach nicht zu erzielen sind.
Zeitliche Entwicklung
Es gibt mittlerweile ein 5G-fähiges iPhone und auch 5G-Router (CPE) für zuhause. Offensichtlich sind wir noch in der Anfangsphase und die Frage, die sich stellt, ist: Wann werden wir ein selbstragendes Ecosystem haben? In einer Studie vom Januar 2020 “The 5G Era - New horizons for advanced electronics” schreibt McKinsey, dass die Marktentwicklung in Wellen stattfinden wird. Die erste Maturität erlangt das Konsumenten-Segment im Jahr 2022. Der blaue Kreis in der Zeichnung zeigt das relative Geschäftspotential. Gefolgt wird diese Welle mit Anwendungen von zuverlässiger Echtzeitkommunikation. Die dritte Welle hat im Jahr 2025 ihren Höhepunkt und betrifft die IoT Anwendungen. Das Ganze scheint zwar in der Zukunft zu liegen, aber die Grundlagen - die Funkversorgung und das 5G-Kernnetz - müssen bereits heute geschaffen werden.
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